Zum russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine: Zivile Wege zum Frieden suchen – „Nie wieder Krieg“ heißt auch „Nie wieder Faschismus“! , mit Stefan Hartmann und Rico Gebhardt

Der rus­sis­che Angriff­skrieg gegen die Ukraine geht in sein zweites Jahr. Dazu erk­lärt Rico Geb­hardt, Vor­sitzen­der der Frak­tion DIE LINKE im Säch­sis­chen Land­tag, gemein­sam mit Susanne Schaper und Ste­fan Hart­mann, Vor­sitzende von DIE LINKE. Sach­sen:

„Das Mor­den, das Töten, das Zer­stören in der Ukraine muss aufhören. Die Waf­fen müssen schweigen, möglichst schnell und möglichst endgültig! Wir schauen mit großem Respekt auf die ukrainis­che Bevölkerung, die sich tapfer in einem Krieg vertei­digt, den sie nicht gewollt hat. Rus­s­land unter Putin ist der Aggres­sor. Es gibt nichts, das die Ver­brechen der rus­sis­chen Führung recht­fer­tigt, auch keine berechtigte Kri­tik am Han­deln oder an vor­ange­gan­genen Kriegen von NATO-Staat­en. Als PDS und als DIE LINKE haben wir stets die Auf­fas­sung vertreten, dass der Angreifer in der Pflicht ist, sich zurück­zuziehen. So auch in diesem Fall: Die rus­sis­che Führung muss das Grauen been­den und ihre Trup­pen zurückziehen. Den Men­schen in der Ukraine und denen, die ihr Land ver­lassen mussten, muss noch stärk­er geholfen wer­den – etwa mit weit­eren Hil­f­s­gütern. Wer sich dem Krieg ver­weigern will – ob Russen oder Ukrain­er –, muss Asyl bekom­men.

Ein Jahr nach dem Über­fall sehen nicht wenige Beobachter einen lang­wieri­gen, bluti­gen Stel­lungs- und Abnutzungskrieg. Der Aggres­sor Rus­s­land set­zt wohl darauf, mit seinen größeren materiellen und vor allem per­son­ellen Ressourcen die Ukraine let­z­tendlich zu unter­w­er­fen. Viele Men­schen fra­gen zu Recht, wie in dieser Sit­u­a­tion ein Weg zum Frieden ausse­hen kann, obwohl wed­er Rus­s­land noch die Ukraine derzeit Inter­esse an Friedensver­hand­lun­gen erken­nen lassen und die rus­sis­che Mil­itär­führung – wohl auch angesichts der uner­wartet erfol­gre­ichen Vertei­di­gung der Ange­grif­f­e­nen – ihre Kriegs­führung weit­er per­vertiert hat und immer mehr zivile Infra­struk­tur angreift. Schon weil es keine ein­fache Antwort gibt, muss und darf diese Frage immer wieder gestellt wer­den.

Für uns ist klar, dass ver­han­delt wer­den muss, es jedoch keinen rus­sis­chen Dik­tat­frieden geben darf. Inakzept­able Zugeständ­nisse sind wed­er zwangsläu­fig der Gegen­stand von Ver­hand­lun­gen noch deren Ergeb­nis. Für uns ist klar, dass nie­mand über die Köpfe der Men­schen in der Ukraine hin­weg entschei­den darf. Klar ist aber auch, dass die Ukraine fak­tisch nicht allein darüber bes­timmt, wie sie der rus­sis­chen Aggres­sion begeg­net – Forderun­gen nach ein­er Flugver­bot­szone bleiben aus guten Grün­den uner­füllt, die Entsendung von NATO-Boden­trup­pen darf nicht ein­mal zur Debat­te ste­hen. Es darf keinen heißen Krieg der NATO gegen Rus­s­land geben. Gle­ich­wohl ste­ht auch unser Land in der Ver­ant­wor­tung, gemein­sam mit dem Rest der Welt zivile Wege zum Frieden zu suchen.

Es ist falsch, dass vor allem über Waf­fen- und über Panz­er­liefer­un­gen, über die Logik des Kriegerischen gesprochen, geschrieben und getwit­tert wird. Wir behar­ren auf dem Pri­mat der Diplo­matie, auch wenn andere Parteien sich offen­sichtlich dem Pri­mat des Mil­itärischen zuge­wandt haben. Wir erneuern auch eine weit­ere Forderung, die wir seit Kriegs­be­ginn erheben: Putins Macht­ba­sis muss endlich wirk­sam sank­tion­iert wer­den! Warum tun sich deutsche Behör­den so schw­er im Umgang mit rus­sis­chen Oli­garchen, wenn es um ver­schleiertes Ver­mö­gen und Immo­bilienbe­sitz geht? In Rus­s­land gibt es über 20.000 Mul­ti­mil­lionäre, nur ein klein­er Teil von ihnen wird sank­tion­iert. Es gibt Wege, um außer­halb der mil­itärischen Logik Druck für Friedensver­hand­lun­gen aufzubauen.

Wir haben volles Ver­ständ­nis für die Sorge viel­er Men­schen, dass sich dieser Krieg zu einem Wel­tenbrand auswach­sen kön­nte. Es ist legit­im, diese Sorge zu for­mulieren und die Liefer­ung schw­er­er Waf­fen an die Ukraine abzulehnen – es ist auch unsere Posi­tion. Wir hören aber auch den Men­schen zu, die sich für bes­timmte Waf­fen­liefer­un­gen aussprechen. In ein­er aufgek­lärten Gesellschaft, in ein­er Demokratie muss es möglich sein, unter­schiedliche Posi­tio­nen und Hand­lung­sop­tio­nen zu disku­tieren. Es geht hier um kom­plexe Gewis­sens­fra­gen, für die es unter­schiedliche, vor allem aber keine ein­fachen Antworten gibt. Wütet erst ein­mal der Krieg, ist jede Alter­na­tive immer eine Suche nach dem kleineren Übel.

Wir bekräfti­gen: Unsere Partei lehnt mehrheitlich Waf­fen­liefer­un­gen an die Ukraine ab, aber es gibt auch Stim­men, die eine andere Posi­tion vertreten – so wie das in der Bevölkerung, in der CDU, in der SPD und auch bei den Grü­nen der Fall ist. Eine Debat­te um diese Posi­tio­nen muss möglich sein und ohne Dif­famierun­gen auskom­men. Wed­er sind Men­schen, die das Selb­stvertei­di­gungsrecht der Ukraine beto­nen – dessen konkrete Wahrnehmung mil­itärischen Kampf bedeutet – automa­tisch Kriegstreiber, noch sind Men­schen, die eine weit­ere Eskala­tion des Krieges befürcht­en, diplo­ma­tis­che Friedensini­tia­tiv­en fordern oder den Sinn von Waf­fen­liefer­un­gen bezweifeln, automa­tisch Sofa­paz­i­fis­ten oder Putin­fre­unde. Wir per­sön­lich verurteilen deshalb auch nie­man­den für ihre oder seine Entschei­dung, eine Friedens­demon­stra­tion demokratis­ch­er Kräfte zu besuchen.

Bei der Debat­te um Waf­fen­liefer­un­gen klingt es zuweilen so, als wür­den Panz­er auf Panz­er und Kanonen auf Artillerie schießen. Wir war­nen davor, zu vergessen, dass Men­schen auf Men­schen schießen und am Ende einem Panz­er nicht ein Rohr oder einem Bunker ein Dach fehlt, son­dern ein­er Groß­mut­ter ein Arm, ein­er Mut­ter ein Kind oder ein­er Fam­i­lie ein Men­sch. Krieg und Mil­itär dür­fen nicht banal­isiert wer­den. Wer jubelt: ‚Die Leop­ar­den sind frei‘, als gin­ge es um Stofftiere, hat nichts ver­standen. Wer vor ‚Kriegsmüdigkeit‘ warnt, wie Außen­min­is­terin Baer­bock, oder ‚Kriegswirtschaft‘ ein­fordert, wie Vertei­di­gungsmin­is­ter Pis­to­rius, sollte seine Rhetorik über­denken.

Es ist ver­logen, dass sich der rechte Rand des poli­tis­chen Spek­trums jet­zt plöt­zlich als Truppe von Friedensen­geln auf­spielt. Diese Kräfte ste­hen seit jeher für Aufrüs­tung und die Mil­i­tarisierung der Gesellschaft. Vor allem aber ist ihre Sym­pa­thie für Putin unge­brochen, weil er ihr ide­ol­o­gis­ches Vor­bild ist. Wir aber wollen nicht in einem Land leben, das nach Putin­schem Bau­plan autokratisch, undemokratisch, unfriedlich und unfrei organ­isiert ist. Mit diesen Leuten ist kein Staat und erst recht kein Frieden zu machen. Wir stre­it­en für Frieden und gegen Nazis, auch wenn Nazis linke Friedens­forderun­gen kapern wollen. ‚Nie wieder Krieg‘ heißt auch ‚Nie wieder Faschis­mus‘! Für uns ist deshalb auch klar: Wer sich aufrecht für den Frieden ein­set­zen will, kann die extreme Rechte wed­er zu eige­nen Ver­anstal­tun­gen ein­laden noch deren Ver­anstal­tun­gen besuchen oder bewer­ben. Auf der anderen Seite sind wir alle gut berat­en, nicht über jedes bösar­tige Stöckchen zu sprin­gen, das rechte Kräfte in den öffentlichen Raum wer­fen. Wir haben in den 2000er Jahren unsere Kundge­bun­gen gegen Hartz IV nicht abge­blasen oder ver­lassen, als die NPD ihr Erscheinen angekündigt hat, und wir tun das auch jet­zt beim blau ange­mal­ten Wiedergänger der NPD nicht.

Rus­s­land muss mit ein­er anderen, am besten demokratis­chen Führung, eines Tages der Weg zurück in die Welt­ge­mein­schaft offen­bleiben. Eine Min­dest­be­din­gung dafür ist, dass die Kriegsver­brechen aufgear­beit­et und die Kriegss­chä­den aus­geglichen wer­den.“

Pressemit­teilung bei Links­frak­tion Sach­sen